Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nichts von der Welt der Insekten. Ich kann ein Spinnentierchen von einem Insekt unterscheiden, aber was es mit einem Stamm, mit Arten und Familien auf sich hat: Dafür müsste ich „ecosianen“. Ich fotografiere unheimlich gerne, aber eine formelle Ausbildung habe ich nie gemacht. Mein Kollege Patrick Gebhardt, den wir „Danger“ nennen, weil wir zu viele Patricks im Team haben, weiß genauso wenig über Insekten. Patrick ist nicht wirklich gefährlich – höchstens lausig geschriebene Texte dürfen sich vor ihm fürchten. Als Pressereferent ist er es gewohnt, sachliche Texte zu verfassen, poetische und berührende Geschichten sind selten in seinem Repertoire.
Die Zeit der Pandemie hat uns gelehrt, die kleinen Dinge in unserer Umgebung mehr zu schätzen. Vor etwa drei Jahren fing ich an, durch den Sucher meiner Kamera zu schauen, mit einem Makro-Objektiv, und entdeckte eine Welt, die so viel mehr war als nur ein dunkler Fleck auf einer Blüte. Es war mehr als „nur ein Viech, das vielleicht auch noch sticht“.
Diese Entdeckung führte mich in eine neue Welt, in die ich eintauchen konnte, was dem Gefühl nahekam, in einem „Flow“ zu sein. Ich kenne das Gefühl, wenn ich mit einer Kamera unterwegs bin – selbst mitten auf dem belebten Breitscheidplatz in Berlin während der Adventszeit finde ich Ruhe und Konzentration. Noch einfacher wird es am Waldrand oder auf der Blumenwiese.
Was ich in der Natur fand, war so wertvoll, dass ich mehr daraus machen wollte als nur ein paar Instagram-Posts. Ich wollte Geschichten erzählen, die diese besonderen und gefährdeten Wesen würdigen. Ideen habe ich immer viele, und Text-Skizzen zu machen, fällt mir leicht. Aber das Umsetzen dieser Skizzen in ansprechende Geschichten ist nicht meine Stärke. Also suchte ich nach Unterstützung – und fand sie beim ungefährlichen Danger-Patrick. Er hatte ein unmittelbares Verständnis für meine Bilder und Skizzen, schrieb die ersten Texte für die damals neue Webseite der kleinen Wesen, und ich fand sie großartig.
Menschen brauchen konkrete Beispiele, manchmal unmittelbar vor ihren Augen, um größere Konzepte zu verstehen. Der Rückgang der Gletscher in den Alpen ist ein Beispiel dafür, wie konkrete Naturphänomene dabei helfen, abstrakte Größen wie die Klimakrise zu verstehen. Dass wir jeden Sommer weniger Wespen haben, die sich mit uns um den Eisbecher streiten, ist ein weiteres Beispiel.
Die folgende Aussage beschreibt das recht eindrücklich: Der Verlust der Biodiversität ist der große Bruder des Klimawandels. Während der Klimawandel hauptsächlich durch CO₂-Emissionen verursacht wird, ist der Verlust an Artenvielfalt aber ein komplexeres Phänomen. Wenn Arten verschwinden, reißen sie ganze Ökosysteme mit sich: Ein fehlendes Insekt bedeutet weniger Bestäubung, weniger Nahrung für andere Tiere und gestörte Nährstoffkreisläufe. Diese Kettenreaktionen sind oft unumkehrbar und verstärken sich gegenseitig mit dem Klimawandel – ein gestörtes Ökosystem ist weniger widerstandsfähig gegen Klimaveränderungen, während ein sich wandelndes Klima das Artensterben weiter beschleunigt.
Zwei Menschen mit eher sachlicher Ausbildung beschließen, berührende Geschichten über Arthropoden zu erschaffen. Es gab viel zu lernen: von der Bestimmung der Insektenarten, über grundlegende biologische Kenntnisse bis hin zu den Unterschieden zwischen Stämmen, Gattungen und Arten. Citizen-Science-Projekte wie Wikipedia und iNaturalist kamen uns zu Hilfe. Wir lernten autodidaktisch alles, was wir brauchten. Wir benannten unser Projekt „ Kleine Wesen — Große Verantwortung“ und starteten online. Ein Webprojekt war für uns beherrschbar – ich hatte schon viele Websites erstellt, und Patrick hatte hunderte Landing Pages geschrieben. Doch wir wollten mehr: etwas Greifbares, ein Buch!
Im Frühjahr 2024 besuchte Danger, der in Leipzig wohnt, die Leipziger Buchmesse. Dort bestätigte sich unser Bauchgefühl: Es gibt kaum Bücher, die genau das bieten, was wir vorhatten – hochauflösende Makrobilder kombiniert mit poetischen Geschichten. Wir fanden eine Nische für uns. Auf der Messe entdeckte Patrick den Stand von Ulrike Lohmann und ihrem Verlag Edition per imaginem, der beeindruckende Bücher veröffentlicht, die sich alle um das Thema Biodiversität drehen. Ulrike war so nett, uns wertvolle Tipps zu geben, und so begann die Reise.
Durch einen glücklichen Zufall kannte Patrick auch noch Allison aus den USA, die uns in den ersten Monaten enorm unterstützte. Es ist Allisons Beruf, (angehenden) Autoren zu helfen, von der Idee zum fertigen Buch zu kommen. Sie nahm uns die Angst vor dem Selbstverlag und zeigte uns, dass alles irgendwie machbar ist. Allison ist Expertin für Kindle Direct Publishing (KDP), doch wir hatten Bedenken, ob die Druckqualität für unsere Bilder ausreichen würde. Bei KDP hat man keinen Menschen am anderen Ende der Leitung und auch die Automatisierung machte uns Sorgen. Können wir hier sicherstellen, dass alle Exemplare die gleiche Qualität aufweisen? Diese Frage blieb unbeantwortet, denn:
… durch unser Kartenspiel-Projekt kannten wir die Druckerei Gugler in Melk, Österreich. Sie bietet nicht nur Cradle to Cradle zertifizierte Druckwerke mit den höchsten Umweltstandards an, sondern auch exzellente persönliche Beratung und Unterstützung für Anfänger wie uns. Die Qualität unseres Kartenspiels überzeugte uns, KDP zu vergessen: Selbstverlag bei einer ökologisch engagierten Druckerei klang viel besser als ein generischer Amazon-Druck.
Unser Ziel war es, das Buch bis Weihnachten fertig zu haben, aber wir hatten die Komplexität unterschätzt. Auch wenn alle Texte und Bilder fertig sind, dauert es, bis man eine druckreife Datei hat. Das Setzen aller Bilder und Texte, die Cover-Gestaltung, das ganze Drumherum: Das hat uns noch mal (unvorbereitet) mehrere Wochen gekostet. Glücklicherweise kam im Oktober Nora ins Team, unsere perfekte Grafikerin. Was also vor Weihnachten nicht fertig wurde, wird Anfang 2025 verfügbar sein. Letzte Woche konnten wir mit einem Lächeln die Druckdatei an Gugler schicken und freuen uns auf das fertige Werk.
Wie bei unserem Kartenspiel gilt auch hier: Unser Status als gemeinnützige Organisation erlaubt es uns (noch) nicht, das Buch auf kommerziellen Plattformen wie Amazon zu verkaufen. Interessierte können das Buch ab Mitte Januar auf unserer Website durch eine Spende erhalten. Und dann? Nun, wir haben dieses Buch nicht als trockenes Lexikon geplant und geschrieben. Es soll Spaß machen, zum Stöbern einladen und Inspiration geben. „ Kleine Wesen — Große Verantwortung“ ist ein Herzensprojekt und wir wünschen uns, dass der Funke überspringt. Kein erhobener Zeigefinger – wir alle können lernen, mehr Mitgefühl für die kleinen Wesen um uns herum zu haben!
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